Dr'in Karla Loida über Quantencomputer, Ökosysteme und das Physikstudium

23. Juli 2024

Karla Loida
Foto: Roger Riedel
Karla Loida

Dr’in Karla Loida

Mathematik und Naturwissenschaften


Weltweit wird auf Hochtouren an Quantentechnologien geforscht. Insbesondere Quantencomputern wird ein revolutionäres Potential vorausgesagt. Dr‘in Karla Loida ist Projektleiterin für Quantencomputing-Hardware in der DLR Quantencomputing-Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Ihr Ziel: der Aufbau eines Ökosystems für Quantencomputing in Deutschland. Über die innovative DLR-Initiative, den aktuellen Stand der Forschung und ihre Erfahrungen als Physikstudentin berichtet Dr‘in Karla Loida im Interview.

Frau Dr‘in Loida, Sie befassen sich mit Quantenphysik. Was fasziniert Sie daran?

Karla Loida: Die Quantenphysik ist die Grundlage für viele technologische Durchbrüche, die aus unserem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Ein Beispiel ist der Laser, den wir heute in vielfältigen Anwendungen in der Kommunikation, Medizin oder Materialbearbeitung finden. Aktuell ist wieder Bewegung in das Thema gekommen und es entsteht eine ganze Quantenindustrie rund um die Themen Quantenkommunikation, Quantencomputing und Quantensensorik. Das betrifft und beeinflusst unsere Zukunft in wirklich vielen Bereichen. Diese Entwicklung aktiv mitzugestalten ist super spannend und macht eine Menge Spaß.

Sie sind Projektleiterin für Quantencomputing-Hardware in der DLR Quantencomputing-Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Worum geht es bei der Initiative?

Karla Loida: Unser Ziel ist, die Entwicklung von Quantencomputern zu beschleunigen, zusammen mit Startups und Partnern aus der Industrie. Dies umfasst Quantencomputing-Hardware, -Software und Anwendungen. Gleichzeitig bauen wir im DLR unsere eigene Expertise in diesem Bereich aus. An unseren Innovationszentren in Ulm und Hamburg bündeln wir Technologien und Ressourcen und stellen unseren Industriepartnern und DLR-WissenschaftlerInnen Büros, Laborfläche, sowie Zugang zu Werkstätten und Reinräumen zur Verfügung. So entsteht ein lebhafter Austausch vor Ort und ein dichtes Quantencomputing-Ökosystem.

Welches Potential haben Quantencomputer?

Karla Loida: Quantencomputer können unsere Welt in ungeahnter Art und Weise verändern. Wir erwarten Durchbrüche in der Medizin- und Materialforschung, aber auch eine regelrechte Revolution in der Kryptografie. Bestimmte Fragestellungen, bei denen herkömmliche Computer an ihre Grenzen stoßen, können durch Quantencomputer beschleunigt oder erstmalig erforscht werden. Das ist unglaublich spannend und bietet enorme Chancen für Wirtschaft und Wissenschaft. Einige Anwendungsbeispiele aus der DLR Quantencomputing-Initiative sind die Verbesserung von Klimamodellen, die Optimierung von Energienetzen und die schnellere Entwicklung neuer Materialien.

Werfen wir gemeinsam einen Blick in die Glaskugel: Wann wird es den ersten Quantencomputer geben?

Karla Loida: Die ersten Quantencomputer gibt es bereits, auch in Deutschland. Das sind prototypische Systeme mit wenigen Qubits, die einfache Quantenoperationen durchführen können. Interessanter ist die Frage, wann die verfügbaren Quantencomputer die notwendige Leistungsfähigkeit erreichen, um einen anwendungs-relevanten Quantenvorteil zu erreichen. Das heißt, wann sie einem klassischen Rechner bei der Lösung eines praktisch relevanten Problems überlegen sind. Wann und für welches Problem das als erstes erreicht wird, ist schwer zu sagen: Dafür gibt es einfach noch zu viele Herausforderungen in der Umsetzung. Die meisten ExpertInnen sagen aber, dass wir in den nächsten 5 bis 20 Jahren damit rechnen können.

Sie bauen ein Ökosystem für Quantencomputing in Deutschland auf. Was kann ich mir darunter vorstellen?

Karla Loida: Das Ökosystem ist das Zusammenspiel von Forschungsprojekten, Industrie, Gründungsszene und zukünftigen AnwenderInnen entlang der gesamten Wertschöpfungskette am Standort Deutschland. Wichtige Bausteine sind die frühzeitige Einbindung von EndanwenderInnen und die Verzahnung von Forschung und Wirtschaft. Die Stärke von Deutschlands und Europas Ökosystem liegt aktuell in seiner Vielfalt, sowohl technologisch als auch bei der Art der Akteure. Entscheidend ist, dass die Weiterentwicklung zu einer international wettbewerbsfähigen, europäischen Industrie stattfindet. Beim Rennen um den ersten nützlichen Quantencomputer können wir jedenfalls ganz vorn mitlaufen – wenn wir unsere Potentiale richtig nutzen. Das zu ermöglichen, ist unser großes Ziel.

Sie haben an verschiedenen Universitäten Physik studiert und in Quantenphysik promoviert. Welche Erfahrungen haben Sie mit einem Studiengang gemacht, den mehr Männer als Frauen wählen? 

Karla Loida: Unabhängig von der Station meines Studiums, ob Hamburg, Paris, Köln oder Bonn, hat das Ungleichgewicht im fachlichen Kontext des Studiums eine untergeordnete Rolle gespielt. Das Physikstudium ist mit der größte Spaß, den ich je hatte. Ein gewisses Selbstbewusstsein ist dennoch notwendig, da diese Studienwahl oftmals leider immer noch chronisch hinterfragt wird. Wir sehen heute, dass sich immer mehr Frauen fürs Physikstudium entscheiden und ich wünsche mir, dass noch mehr Frauen mit gutem Beispiel voranschreiten. Also an alle Physikstudentinnen: Bitte macht weiter so!

Herzlichen Dank für das Interview!

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