Lisa Ihde über IT-Vorbilder, Netzwerkveranstaltungen und ihre Tops & Flops zur Steigerung der Sichtbarkeit

19. Februar 2024

Lisa Ihde hält zwei ihrer Bücher ins Bild: "3D-Grafiken designen und animieren" und "Meine eigene Homepage"
Foto: Sebastian Schulz
Lisa Ihde

Lisa Ihde

Informatik und Ingenieurwissenschaften


Lisa Ihde ist Autorin, Mentorin, Gleichstellungsbeauftragte und Preisträgerin des Young Engineering Award. Vor allem ist sie ITlerin mit Leib und Seele.

Im Interview gibt sie Tipps, wie Expertinnen ihre Sichtbarkeit erhöhen können und wie Frauen, die Netzwerk-Events lieber aus dem Weg gehen, dennoch gewinnbringende Kontakte knüpfen können.

Frau Ihde, Sie selbst sind IT-Vorbild und setzen sich dafür ein, jungen Frauen weitere weibliche Rollenvorbilder aus der IT zu vermitteln. Dazu haben Sie die Reihe "Women in Tech" initiiert. Warum sind solche Vorbilder aus Ihrer Sicht so wichtig?

In unserer Branche fehlen aufgrund des geringen Frauenanteils oft Vorbilder. Das ist ein Problem, denn es ist einfacher, sich etwas vorzustellen, wenn man es bereits bei anderen gesehen hat. Zum Beispiel, wenn man eine erfolgreiche Informatikerin kennt, denkt man: "Wenn sie es schaffen kann, ein Unternehmen zu führen, einen Preis zu gewinnen oder allgemein erfolgreich in der Informatik zu sein, dann kann ich das auch schaffen." Dieses Phänomen ist Teil der sogenannten Verfügbarkeitsheuristik (Availability Bias), ein Denkfehler, wenn wir entscheiden wollen, wie wahrscheinlich es ist, dass etwas auftritt. Laut dem Psychologen Jens Förster (2007) kann ein gehäuftes Auftreten von nicht stereotypischen Ereignissen zu einem Umlernen führen, wie am Beispiel von Angela Merkel als erste Frau im Kanzleramt zu beobachten war.

Identifikationsfiguren können nur dienen, wenn sie Gemeinsamkeiten mit einem selbst haben, sei es das Geschlecht, das Alter, der Bildungsgrad oder gemeinsame Interessen. Deshalb kann ein Mann nicht notwendigerweise eine Identifikationsfigur für Frauen in der Informatik sein. Die Tatsache, dass die Informatik von Männern dominiert wird, führt dazu, dass es für Frauen weniger Perspektiven gibt, dies als möglichen Beruf für Frauen zu sehen, was wiederum ein Grund dafür sein kann, warum so wenige Frauen sich für die Informatik entscheiden oder in der Branche bleiben. Das Betonen von erfolgreichen Frauen und weiblichen Perspektiven wird als eine Möglichkeit gesehen, diesem Problem entgegenzuwirken. Daher habe ich bei der Reihe "Women in Tech" am Hasso-Plattner-Institut erfolgreiche Frauen aus der Tech-Branche eingeladen, einen Vortrag über ihre aktuelle Arbeit und ihren Werdegang zu halten.

Sie studierten bis vor kurzem noch im Master und haben bereits mehrere Bücher veröffentlicht, Preise gewonnen – zuletzt den Young Engineering Award auf der WomenPower – sind Mentorin und Gleichstellungsbeauftragte. Wir merken: Sie brennen für die IT und insbesondere für den IT-Nachwuchs. Hatten Sie selbst ein Vorbild, das Sie zu einer Karriere in der IT inspirierte? 

Meine Begeisterung für IT wurde durch ein Buch geweckt, als ich 11 Jahre alt war. Durch das Buch lernte ich, wie man eine Webseite erstellt und für mich war das ein sogenannter Aha!-Moment. Plötzlich ergaben sich völlig neue Möglichkeiten, sodass ich nicht nur Webseiten von anderen betrachten konnte, sondern auch das Werkzeug verstand, um meine eigenen Ideen umzusetzen.

Mein erstes Vorbild in der Kindheit war mein großer Bruder. Wir besuchten gemeinsam die Begabtenförderung für Mathematik, den Schachklub oder auch die Technik-AG. Da wir ähnliche Interessen hatten, war ich daher sehr neugierig, als er nach dem Abitur ein Studium am Hasso-Plattner-Institut (HPI) angefangen hatte. Ich wollte verstehen, was er nun studierte und hatte mich daher auf der Webseite vom HPI umgeschaut, wo ich die Angebote für Schüler*innen fand.

Nach der Teilnahme an diesen außerschulischen Angeboten, wollte ich auch dort studieren. Als ich dann den Hörsaal am ersten Tag meines Bachelorstudiums betrat, war ich sehr überrascht, dass wir nur so wenig Frauen waren. Ich begegnete kaum weiblichen Vorbildern am Anfang meines Studiums und traf die erste berufstätige Softwareentwicklerin erst bei einem Community-Event von Mozilla an.

Mittlerweile bin ich froh, dass mir mehr inspirierende Frauen als Männer einfallen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich selbst als Vorbild für andere verstand und durch Programmier-Workshops oder Online-Kurse gezielt als Vorbild sichtbar war, um Mädchen für mein Fach zu begeistern. Ich hoffe, dass zukünftig Schülerinnen nicht erst im Studium eine Frau aus der Tech-Branche kennenlernen und ihnen schon früh die möglichen Berufe und somit Karrieren in der IT bewusst werden. 

Daher müssen wir auch früh mit dem Informatikunterricht in Schulen ansetzen. Denn wie der im Oktober 2023 erschienene #InformatikMonitor der GI, des Stifterverbands und der Heinz Nixdorf Stiftung zeigt, wählten Mädchen häufiger das Wahlfach Informatik in der Sek II, wenn sie es schon aus der Sek I kannten. Wenn wir mit wenigen Frauen im Bachelor starten, dann werden wir auch wenig Frauen im Masterstudium oder in weiteren Stufen der wissenschaftlichen Karriere antreffen. Um den Anteil zu erhöhen, müssen wir schon in der Frühbildung anfangen, Inhalte der Informatik zu vermitteln.

Ich begegnete kaum weiblichen Vorbildern am Anfang meines Studiums und traf die erste berufstätige Softwareentwicklerin erst bei einem Community-Event von Mozilla an.

Viele Frauen haben Probleme damit, sich als Vorbild anzusehen oder aktiv für sich und ihre Arbeit zu werben. Das Imposter-Syndrom ist ein Phänomen, von dem vor allem Frauen betroffen sind. Was sind Ihre Tipps für mehr weibliches Selbstvertrauen? 

Jeder Erfolg, sei es das Schreiben der ersten Zeilen Code, die Veröffentlichung einer eigenen App oder das Erreichen eines wichtigen Meilensteins in deiner Karriere, verdient Anerkennung. Mein erster Tipp ist, dass man sich die Zeit nehmen sollte, um auf diese Erfolge zurückzublicken und stolz auf das zu sein, was man erreicht hat. Diese Erfolge wären ohne die gesammelten Fähigkeiten nicht möglich. Mach dir bewusst, dass du die Qualifikationen und das Wissen hast, um das zu tun, was du tust.

Außerdem ist es wichtig, sich realistische Ziele zu setzen und kontinuierlich an ihrer Verwirklichung zu arbeiten. Dies hilft, das Gefühl der Unsicherheit zu mindern, da man einen klaren Plan für seine berufliche Entwicklung hat. Natürlich ist kein Traum zu groß, aber in kleinen Schritten ist dies machbarer. 

Selbstzweifel können oft durch negative Gedanken verstärkt werden. Mir hat in der Vergangenheit geholfen, wenn jemand an mich und meine Vision geglaubt hat. Doch es kann auch helfen, wenn man positive Selbstgespräche führt, denn schließlich sollst auch du selbst an dich glauben! Erinnere dich daran, dass du erfolgreich bist und die Herausforderungen bewältigen kannst. Suche dir Mentor*innen und Gleichgesinnte. 

Soziale Medien und berufliche Netzwerke bieten eine großartige Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, Ratschläge zu erhalten und zu sehen, dass auch andere ähnliche Erfahrungen machen. Teile dein Fachwissen und deine Erfahrungen mit anderen. Schreibe Blog-Beiträge, Artikel oder Kommentare in relevanten Online-Communities. Sei aktiv in Diskussionen und zeige Präsenz in deinem Fachgebiet. Dies wird nicht nur dein Selbstvertrauen stärken, sondern auch deine Position als Expertin in deinem Bereich festigen.

Soziale Medien und berufliche Netzwerke bieten eine großartige Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, Ratschläge zu erhalten und zu sehen, dass auch andere ähnliche Erfahrungen machen.

"Tue Gutes und rede darüber" ist ein bekannter Spruch unter Netzwerker*innen. Was tun Sie persönlich, um Ihre Sichtbarkeit zu erhöhen? 

Ich schreibe Artikel und Bücher, gebe Workshops, spreche in Podcasts und halte Vorträge zu relevanten Themen in der IT und in Bezug auf die Förderung von Frauen. Dies trägt dazu bei, mein Fachwissen und meine Erfahrungen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Außerdem nutze ich Plattformen wie LinkedIn und andere soziale Medien, um mich zu vernetzen, Wissen zu teilen und meine Aktivitäten und Erfolge zu dokumentieren. Dabei teile ich auch gerne meine Auszeichnungen, Preise oder Erfolge in meiner Karriere, da dies meine Kompetenz und Engagement als Frau in der Branche sichtbar macht. 

Eine weitere gute Möglichkeit zum Erhöhen der Sichtbarkeit ist die Teilnahme an Konferenzen, Seminaren und anderen Veranstaltungen. Ich bin Mitglied in verschiedenen Netzwerken und Verbänden, die sich für die Förderung von Frauen in der IT einsetzen. Dadurch bin ich Teil einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten und trage zur gemeinsamen Sache bei. 

Außerdem engagiere ich mich als Mentorin, um als Vorbild für junge Menschen sichtbar zu sein. Aktuell plane ich, mit einer Freundin mit YouTube-Videos zu starten, sodass wir gezielter unsere Begeisterung an Mädchen und junge Frauen weitergeben können. Mehr zum Kanal findet ihr zukünftig unter https://www.youtube.com/@TechCaLi

Was raten Sie Frauen, die Netzwerk-Veranstaltungen am liebsten aus dem Weg gehen? 

Das Wichtigste ist, dass du dich wohl fühlst und deine eigene Art des Netzwerkens findest. Es gibt viele Wege, wie du Kontakte knüpfen und berufliche Beziehungen aufbauen kannst. Du solltest den Ansatz wählen, der am besten zu deiner Persönlichkeit und deinen Zielen passt. Wenn du dich entscheidest, zu einer Netzwerk-Veranstaltung zu gehen, obwohl du diesen lieber aus dem Weg gehst, dann kann dir helfen, dass du dir klare Ziele setzt, was du aus der Veranstaltung herausholen möchtest. Zum Beispiel das Kennenlernen von mindestens einer neuen Person oder das Sammeln von Informationen zu einem bestimmten Thema.

Du musst nicht allein zu einem Event gehen. Wenn möglich, suche dir eine Begleitung. Du kannst dich mit einer Freundin oder Kollegin verabreden oder in einer Gruppe teilnehmen. Dies kann das Gefühl der Isolation mindern und das Netzwerken angenehmer gestalten. Wenn du eher introvertiert bist oder Networking-Veranstaltungen in Person einfach nicht dein Ding sind, versuche, online Kontakte zu knüpfen.

Es gibt viele Wege, wie du Kontakte knüpfen und berufliche Beziehungen aufbauen kannst. Du solltest den Ansatz wählen, der am besten zu deiner Persönlichkeit und deinen Zielen passt.

Nutze soziale Medien oder spezielle Networking-Plattformen, um dich mit anderen Teilnehmerinnen zu vernetzen. Du kannst auch auf Beiträge reagieren, kommentieren oder Gespräche initiieren. Denke daran, dass du nicht alles auf einmal tun musst. Du kannst dich langsam ans Networking herantasten, indem du mit kleineren Schritten beginnst. 

In Kürze:

Auf welchen Social-Media-Kanälen berichten Sie über sich und Ihre Arbeit? 

In welchen Netzwerken sind Sie aktiv? 

Ihre Top-3 für mehr Sichtbarkeit?

  1. Teile Wissen und Erfahrungen: Du kannst deine Sichtbarkeit durch die Veröffentlichung von Bildungsinhalten, Fachwissen, aber auch eigenen Erlebnissen und Ratschlägen steigern. Dies könnte durch Bücher, Artikel, Vorträge, Podcast oder Online-Kurse erfolgen. Das Teilen von Wissen und Expertise in deinem Fachgebiet kann dazu beitragen, dich als Meinungsführerin und Vorbild zu etablieren, aber auch auf Gleichgesinnte zu treffen.
  2. Engagement in der Gemeinschaft: Du kannst Dich aktiv in Gemeinschafts- und Netzwerkinitiativen engagieren, um deine Präsenz in der IT-Community zu stärken. Dies schließt die Leitung von (Programmier-)Workshops, die Teilnahme an Konferenzen und die Beteiligung an Netzwerken und Verbänden ein. Dies kannst du auch mit dem ersten Tipp verbinden und ehrenamtlich dein Wissen weitergeben.
  3. Nutze die sozialen Medien: Die aktive Nutzung von Social-Media-Plattformen wie LinkedIn kann dazu beitragen, die Reichweite und Sichtbarkeit zu erhöhen. Durch das Teilen von Updates, Erkenntnissen und Erfahrungen kannst du dich mit Gleichgesinnten vernetzen und dein Netzwerk erweitern.

Viel Arbeit und wenig neue Sichtbarkeit brachten:

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